Mexiko – Chiapas

Für unseren kleinen Ausflug nach Mexiko buchten wir zwei Plätze in einem etwas teureren Minibus, der dafür aber ohne Umsteigen direkt nach San Cristóbal de las Casas fuhr. Wahrscheinlich wäre es vom Sicherheitsfaktor her kein Problem gewesen, die Anreise mit mehreren öffentlichen Chicken Buses selbst zu organisieren, aber dann hätten wir auf dem Weg mindestens eine Übernachtung einlegen müssen, und unsere Zeit in Chiapas war ohnehin schon sehr begrenzt – schließlich wollten wir danach noch nach Flores in Guatemala und natürlich unsere Freunde Erwin und Vroni pünktlich vom Flughafen in Belize City abholen.

Die Ausreise aus Guatemala bzw. Einreise nach Mexiko verlief einigermaßen reibungslos, wobei man wie bei fast jedem Grenzübertritt in Mittelamerika auch hier versuchte, durch irgendwelche wahrscheinlich erfundenen Gebühren an Geld zu kommen. Zumindest erhielten wir die von uns geforderte Bestätigung über die Bezahlung des Betrags dann doch, auch wenn dem viel verständnisloses Nachfragen („Wollt ihr WIRKLICH eine Bestätigung?“) und ungläubige Blicke voraus gingen. So umständlich wie nur irgendwie möglich musste diese auch teils handschriftlich erst erstellt werden. Uns war natürlich klar, dass wir mit dieser Bestätigung genau gar nichts anfangen konnten, aber es war einfach die leidvolle Erfahrung vieler Grenzübertritte in Mittelamerika, die uns dazu anhielt, nichts mehr ohne Quittung zu bezahlen.

San Cristóbal de las Casas

In San Cristóbal de las Casas angekommen stellten wir schnell fest, dass uns diese kleine Stadt in Mexikos zentralem Hochland gut gefiel. In Gelb- und Rottönen gestrichene alte Häuser bestimmen das Stadtbild, und es gibt einen sehr bunten, reizüberflutenden und authentischen Markt, wo Sonja nur schwer dem Impuls widerstehen konnten, sich mit Mitbringseln einzudecken. Da die Rucksäcke aber schon zu voll und zu schwer waren, und doch noch ein weiterer Weg vor uns lag, beließen wir es beim Schauen und Staunen.

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In der Altstadt von San Cristóbal

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In Mexiko mag mans offensichtlich farbenfroh

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Eine der schönen Seiten Mittel- und Südamerikas, auch wenn das Müllproblem vieler Regionen leider anderes vermuten lässt: Es wird noch viel repariert und wiederverwendet. Hier konnten wir einem Messerschleifer mit seinem selbst gebautem Werkzeug bei der Arbeit zusehen.

Unser Hostel war mal wieder ein Glücksgriff. Unser kleines, süßes Zimmerchen mit gemütlichen, dicken Daunendecken auf dem rustikalen Bett (San Cristóbal liegt immerhin auf 2.100 Meter und nachts wird es entsprechend kalt) war supergünstig und alle sehr freundlich. Die Besitzer luden uns abends ein, mit ihnen Mezcal (ein aus Agarven hergestellter Schnaps) mit Wurmsalz zu trinken, und wir wurden mit guten Restauranttipps versorgt. Hier trafen wir uns auch mit Patrick, einem Schweizer, den wir in Honduras kennengelernt hatten. Er war schon eine Weile in San Cristóbal, um zu arbeiten, und konnte uns genau zeigen, bei welchem Marktstand man das beste, frischeste Mittagsmenü bekam.

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Auf der Terrasse des Hostels mit dem Hostelhund

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Ein toller Tipp einer Mitarbeiterin unseres Hostels: Im Madre Tierra bäckt man nicht nur frisches Vollkornbrot, sondern grillt auch köstliche Burger.

Drei Nächte blieben wir in San Cristóbal, obwohl wir nichts Aufregenderes unternahmen, als durch die Stadt und den Markt zu spazieren und ständig zu essen. Damit wir weiterhin in unsere Hosen passten, mussten wir dringend weiterfahren! Glücklicherweise ging das in Mexiko wieder sehr einfach mit öffentlichen Bussen – wir gingen einfach einen Tag vor der geplanten Abreise zum sehr modernen Busterminal und kauften uns zwei Tickets nach Palenque – eigentlich so, wie wir das auch aus Südamerika kannten, was aber in Mittelamerika nicht immer so einfach möglich ist. Als wir dann jedoch am nächsten Morgen mit unseren großen Rucksäcken ankamen, teilte man uns mit, aufgrund von Aufständen der Zapatistas sei die Straße gesperrt, man müsste großräumig umfahren und die Strecke würde daher statt 4 Stunden mindestens 7 dauern. Der Bus war bequem und klimatisiert, und an lange Fahrten (Rekordstrecke: 26h in Chile) waren wir mittlerweile auch schon gewöhnt – uns konnte eine läppische 7-Stunden-Fahrt wirklich nicht mehr abschrecken!

Palenque

Über Palenque selbst stand nicht viel Gutes in unseren Reiseführern, und wir versuchten uns auf ein zweites Aguas Calientes einzustellen – jenem schrecklichen, stickigen, überteuerten, künstlichen Touristenort vor Machu Picchu in Peru, der nur deshalb so existieren kann, weil man bei einem Besuch der berühmten Inkaruinen zwangsweise mindestens einmal dort übernachten muss. Ganz so furchtbar war es dann glücklicherweise doch nicht, aber es war natürlich sehr touristisch, heiß und etwas teurer als das beschauliche San Cristóbal.

Wie wohl alle Besucher kamen wir aber ohnehin nicht wegen der Stadt selbst, sondern um die archäologische Fundstätte zu besichtigen. Dies ist in Palenque auch recht einfach mit dem öffentlichen Minibus möglich, der Mitarbeiter an der Rezeption unseres Hotels konnte uns genau sagen, wo der Bus fährt und wie viel er kosten darf. Nur 5% der Ruinen von Palenque sind freigelegt, der Rest ist vom Dschungel überwachsen, aber die freigelegten Gebäude reichten schon aus, um uns tief zu beeindrucken. Palenque führte vor ca. 1500 Jahren gemeinsam mit seinem Verbündeten Tikal einen erbitterten Krieg gegen den Erzfeind Calakmul – zwei Majastädte, die wir ebenfalls noch besichtigen sollten – und obwohl die Stadt mehrfach von Calakmul geplündert wurde, hielt sich der letzte Herrscher bis Ende des 8. Jahrhunderts nach Christus. Danach gibt es keine Anzeichen einer weiteren Besiedelung, und die Gründe für das Ende der Mayareiche sind in der Forschung weiterhin umstritten.

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Yaxchilan und Bonampak

Für den Rückweg nach Guatemala entschieden wir uns für eine zweitägige organisierte Busfahrt, die zusätzlich zum Transport die Möglichkeit bot, die am Weg liegenden Ruinen Yaxchilan und Bonampak zu besichtigen, mit einer Übernachtung in einer ganz einfachen Unterkunft irgendwo in der Nähe der Ruinen. Aufgrund unserer Erfahrung mit organisierten Touren erwarteten wir das Schlimmste (=großer stickiger Schlafsaal, keine Duschmöglichkeit, mangelhafte Versorgung mit Essen, schrottreife Transportmittel…), aber da wir unser Zelt dabei hatten, wollten wir notfalls einfach campen. Unsere Reisegruppe bestand außer uns ausschließlich aus besser gestellten Mexikanern und einer Kolumbianerin, die alle sehr freundlich waren. Wir waren mal wieder überrascht, dass wir eigentlich fast alles verstanden, was gesprochen wurde, auch wenn wir uns selbst auch nach der langen Zeit in Lateinamerika nicht besonders eloquent ausdrücken konnten. Auch wurden wir erstaunlich gut verköstigt und selbst die Unterkunft entpuppte sich als ein eigentlich recht gemütliches Doppelzimmer mit einem sauberen Gemeinschaftsbad.

Yaxchilan, eine historische Maya-Stadt am Rio Usumacinta, ist nur mit dem Boot zu erreichen, da noch keine Straße hinführt, und riesengroß – wir mussten fast laufen, um in den drei zur Verfügung stehenden Stunden die wichtigsten Teile des Areals zu besichtigen. Aufgrund seiner Lage mitten im Dschungel und abseits der Touristenpfade waren wir in Yaxchilan fast alleine – unsere Mitreisenden hatten sich einen Führer genommen und ihre Besichtigung auf einige wenige Punkte beschränkt, und wir begegneten nur wenigen anderen Besuchern am weitläufigen Areal.

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Yaxchilan – ein Haufen Steine, der Dschungel und wir

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Die Überreste von Bonampak – obwohl auch das früher eine kleinere Mayastadt war – bestehen hauptsächlich aus einem hohen Tempel, dessen Besonderheit die einzigartigen Wandmalereien und Fresken im Inneren sind. Sie zeigen die Geschichte der dort lebenden Mayas: den Herrscher und sein Gefolge, Kriegsszenen und die anschließende Gefangennahme und Opferung der Gegner, Tanzszenen und Blutopfer von Adligen.

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Die Fresken von Bonampak bieten Forschern wertvolle Einblicke in das soziale Gefüge und Leben der Mayas – wobei wir nicht sicher sind, welche Szene dieses hier dartsellen soll

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Kurzes Päuschen mit Ausblick auf der Spitze von Bonampak

So viel also zum angenehmen Teil der Reise zurück nach Guatemala – der zweite Tag sollte nicht ganz so gut verlaufen und sogar noch ein unangenehmes Nachspiel haben. Wir übernachteten also in unserem einfachen, aber netten Zimmer im Dschungel und wurden wie vereinbart von einem Minibus aufgegabelt. Unsere Mitreisenden waren wieder zurück nach Palenque gefahren und wir wurden mit einer anderen Gruppe von Touristen, die in der Früh von Palenque aufgebrochen war und direkt nach Guatemala wollte, zusammgengeschlossen.

Bereits im Bus herrschte großes Rätselraten darüber, wer jetzt die Ausreisesteuer von ca. USD 20 bezahlen musste und wer nicht. Wir hatten uns vorab gut informiert und gaben unser Wissen gerne an unsere Mitreisenden weiter: Ausgeschlossen sollten jene sein, die entweder mit dem Flugzeug nach Mexiko gekommen waren – hier ist die Ausreisesteuer in der Regel bereits im Ticketpreis inkludiert – sowie jene, die wie wir weniger als eine Woche im Land waren. Der Grenzbeamte des kleinen Grenzübergangs mitten im Dschungel (übergewichtig, mit weit aufgeknöpftem Hemd) der schon allein aufgrund seines Aussehens und Auftretens problemlos in einem alten Mafiafilm mitspielen hätte können, sah das wie erwartet anders und wollte von jeder einzelnen Person die Ausreisegebühr kassieren. Wir weigerten uns zunächst, da wir ein paar Stunden weniger als eine Woche im Land verbracht hatten und damit unserer Ansicht nach nicht zahlen mussten. Der Grenzbeamte behauptete aber, es zählten Kalendertage, somit wären wir über der 7-Tages-Grenze. Ganz unmöglich erschien uns das nun nicht, aber als er uns nichtmal eine Rechnung ausstellen wollte, hatten wir ein ungutes Gefühl. Für diesen Umstand hatte er eine sehr plausible Erklärung parat: Angeblich konnte er uns keine Rechnung ausstellen, da er das Computerpasswort nicht wusste. Wir schlugen daraufhin vor, er solle uns einfach händisch auf einen Zettel schreiben, dass er die USD 20 von uns entgegen genommen hatte, aber nein: Eine handgeschriebene Rechnung sei in Mexiko keine Rechnung, daher ginge das natürlich auch nicht, es müsse nunmal alles seine Ordnung haben. Sehr lange diskutierten wir an dieser Grenzstation im Dschungel, aber der Grenzbeamte bestand auf die Bezahlung ohne Quittung, wir hingegen bestanden auf ebenjene Quittung, und die Gemüter erhitzten sich zunehmend. „Ohne Beleg ist es keine Gebühr, sondern Trinkgeld“, rutschte uns am Höhepunkt der Diskussion heraus. Obwohl dies natürlich den Tatsachen entsprach, gab sich der Grenzbeamte zutiefst beleidigt und erklärte uns sinngemäß, dass wir uns unseren Ausreisestempel nun aufpinseln konnten. Wir entschieden uns für einen geordneten Rückzug indem wir unsere Pässe schnappten und zum Minibus zurückgingen bzw. eher -liefen. Von unseren Mitreisenden bezahlte übrigens aufgrund unseres „Briefings“ zuvor ebenfalls niemand, denn sie waren alle per Flug nach Mexico eingereist und auch wenn er es mit ein paar Tricks versuchte, zückte er bei ihnen am Ende grummelnd den Ausreisestempel. Ein schwarzer Tag – sowohl für den Grenzbeamten, der auf sein Körberlgeld verzichten musste, als auch für uns, denn wir hatten uns mit unserer Sturheit in eine äußerst prekäre Situation manövriert.

Nun hatten wir nämlich ein Problem: öffentlichen Verkehr gab es hier im Dschungel keinen, der Weg zurück um ordnungsgemäß über einen anderen Grenzübergang aus Mexiko auszureisen war uns also verwehrt. Es blieb nichts anderes übrig, als einfach nach Guatemala weiterzufahren. Eine Bootsfahrt über den Fluss später wartete bereits die nächste Hürde auf uns: Man wollte uns auf der guatemaltekischen Seite nicht die Grenze passieren lassen, da wir keinen Ausreisestempel aus Mexiko hatten. Wir stellten uns doof – dies müsse der mexikanische Kollege wohl vergessen haben, beteuerten wir in unserem besten Spanisch und mit unserem freundlichsten Lächeln. Glücklicherweise waren die Guatemalteken gnädig gestimmt und gaben sich mit der Erklärung zufrieden. Hurra, geschafft! Nur wie wir die Wiedereinreise nach Mexiko knapp zwei Wochen später managen sollten, wo wir doch im Computersystem als „nicht ausgereist“ galten, bereitete uns Bauchschmerzen. Die Geschichte einer Reisebekanntschaft von korrupten Polizisten, die ihn wegen eines fehlenden Ausreisestempels festnahmen und erst gegen eine „Pönalzahlung“ eines vierstelligen Eurobetrags freiließen, spukte uns durch den Kopf. Wir sollten glücklicherweise wesentlich billiger davonkommen. Aber das ist eine andere Geschichte und wird an späterer Stelle erzählt.

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