Archiv für den Monat: Juli 2014

Borneo

Um es gleich vorweg zu nehmen: zwischen Borneo und uns ist der Funke einfach nicht übergesprungen. Teilweise mag das daran liegen, dass die Ausgangsposition suboptimal war: Wir wollten den malaysischen Teil Borneos eigentlich gar nicht bereisen, sondern den kaum touristischen indonesischen Teil der Insel (dafür hätten wir aufgrund langer Transportwege aber mehr Zeit benötigt, die wir dank eines schwarzen Pelzgesichts auf Ko Phangan nicht mehr zur Verfügung hatten). Noch dazu war im malaysischen Teil im Juli absolute Hochsaison, wir hatten einen schlechten Reiseführer, nur 12 Tage Zeit… Kurz gesagt: Borneo, es liegt (vielleicht) an uns, und nicht an dir!

Teil 1: Sepilok

Obwohl wir auf Sumatra bereits Orang Utans im Gunung Leuser Nationalpark beobachten konnten, wollten wir uns diese auch in Borneo nicht entgehen lassen. Also ab nach Sepilok, wo man bei den zwei Mal täglich stattfindenden Fütterungen durch ein Orang Utan Rehabilitationsprojekt die vom Aussterben bedrohten Affen mit einer Erfolgsquote von nahezu 100% zu Gesicht bekommt. Und tatsächlich, bei beiden Fütterungen waren einige Orang Utans anwesend, denen man von einer Holzplattform aus beim Fressen zusehen konnte.

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Es ist angerichtet - das weiß auch dieser schnell herbeieilende Orang Utan

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Ein frecher Makake stopft in Rekordtempo eine Rekordanzahl Bananen in sich rein.

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Nur die drei Affen und wir? Weit gefehlt. Die Eindrücke müssen wir uns mit hunderten anderen Touris teilen...

Etwas enttäuscht mussten wir feststellen, dass es das damit schon fast war. Man durfte lediglich noch einen 1,5 km langen „Bird Trail“ absolvieren. Vögel konnte man auf diesem Weg aber nur auf den aufgestellten Informationstafeln bewundern, denn sämtliche Lebewesen der Umgebung schienen vor den Touristenhorden schon längst Reißaus genommen zu haben. Von der Arbeit des Rehabilitationszentrums bekam man außer den Fütterungen, einem Film und einigen Fotos nichts zu sehen.

Als wir abends auf der Terrasse saßen und etwas missmutig im Abendessen stocherten, bekamen wir dann aber doch noch unser Orang Utan-Erlebnis aus nächster Nähe: Auf der Flucht vor dem Regen (und wohl auch von den Essensgerüchen angelockt) schwang sich ein ca. 10-jähriger Orang Utan Bub auf einen Nachbartisch. Über eine halbe Stunde lang blieb er dort sitzen, veranstaltete allerhand Klamauk mit dem Tischtuch, und verschwand dann, als er gesättigt und aufgewärmt war, wieder im Dschungel (das Tischtuch immer noch in der Hand).

Das war ein versöhnlicher Abschluss unseres Aufenthalts in Sepilok!

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Teil 2: Semporna und Mabul

Teil 1 unserer Borneoreise verdiente schon maximal das Prädikat mittelprächtig, aber Semporna relativierte diesen Eindruck mit einer völlig geradlinigen Scheußlichkeit, die Sepilok dagegen als Dschungelparadies erscheinen ließ. Auf den Straßen roch es brechreizerregend, im dichten Verkehr war selbst in den geruchsneutraleren Gegenden Spazierengehen kein Vergnügen, die Infrastruktur erwies sich als schlecht und überteuert und generell hatte die Stadt überhaupt nichts zu bieten – außer, dass man von hier aus Tauchgänge nach Sipadan organisieren konnte. Dieses weltberühmte Tauchgebiet darf nur von 120 Personen pro Tag besucht werden, und laut unserem Reiseführer war es ohne frühzeitiges Vorbuchen defacto unmöglich, eines der begehrten Permits zu bekommen. Wir hatten natürlich nichts vorgebucht, aber wieder einmal mehr Glück als Verstand und ergatterten genau für den letzten Tag vor unserer Abreise zwei der begehrten Sipadan-Plätzchen.

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Nun galt es, die Zeit bis zu unserem Sipadan-Tauchtag rumzubringen... Wir besuchten z.B. die Insel Mabul für 2 Tage, die von Seezigeunern in ihren Stelzenhäusern (sowie zahlreichen Touris) bewohnt wird.

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Diese Ölplattform wurde zu einem Hotel für Taucher umgebaut... (lag leider nicht ganz in unserem Budget)

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Zurück in Semporna - was tun mit den restlichen 5 Tagen? Nun, erstmal kauften wir einen großen Plastikkübel, einige Kilo Eiswürfel, Getränke und feierten Sonjas Geburtstag nach.

In Semporna vertrieben wir uns die Zeit bis Sipadan außerdem mit häufigem Essengehen (die verlorenen Annapurna-Kilos waren nun endgültig wieder drauf) und trotz des durchs Tauchen schon etwas strapazierten Budgets mit sechs weiteren Tauchgängen. So vergingen die Tage irgendwie dann doch, und schon war er da, der 19. Juli, auf den wir so lange und ungeduldig gewartet hatten.

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Die Insel Sipadan - nicht nur unter Wasser schön

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Leider erwischte uns Murphy’s Gesetz volle Breitseite – nach einer Woche ausharren in Semporna und Umgebung, nur um in Sipadan zu tauchen, hatten wir ausgerechnet an diesem Tag windiges Wetter und eine Sichtweite von weniger als 5 Metern. Die erwarteten Mantas, Haie und Schildkröten zogen wahrscheinlich in Scharen ungesehen an uns vorbei, aber vor allem der erste Tauchgang war überhaupt nichts Besonderes. Zumindest beim zweiten Tauchgang sahen wir 9 kleinere Riffhaie und einige große Schildkröten, und beim dritten erkundeten wir in 20m Tiefe eine Höhle. Alles in allem war es dann trotz der widrigen Umstände noch ein schöner Tauchtag, auch wenn Sipadan bei guter Sicht sicherlich ungleich beeindruckender ist.

Exakt 24h nach dem letzten Tauchgang ging dann – gerade noch lehrbuchmäßig – unser Flug, und der Ostteil unserer Reise damit zuende. Auch wenn Borneo nicht ganz unseren Erwartungen entsprochen hat, waren die letzten beiden Monate unbeschreiblich schön! Nun erkunden wir Südamerika – wir schreiben den nächsten Eintrag voraussichtlich aus Ecuador.

Ko Phangan – Die Walhai-Quest

Um noch vor Borneo unsere Tauchkenntnisse wieder etwas aufzufrischen, buchten wir zwei Tauchgänge am Sail Rock, dem einzigen Spot, der von hiesigen Tauchcentern zu dieser Jahreszeit angefahren wurde. Es handelt sich dabei eigentlich um einen Anfänger-Spot: warm, nicht tiefer als 20m, gute Sicht, keine Strömung – aber gleichzeitig ist er auch für gelegentliche Besuche durch Walhaie bekannt. Einmal im Leben den größten Fisch der Welt zu sehen ist das, wovon Taucher nachts träumen, doch dazu gehört auch am Sail Rock riesengroßes Glück: Unser Guide Neil hatte nur ein einziges Mal einen gesehen, obwohl er seit einem Jahr fast täglich am Sail Rock tauchte.

Jeglicher Wahrscheinlichkeitsrechnung zum Trotz war Klaus dennoch überzeugt, er würde heute einen Walhai sehen und sprach ständig davon, was Sonja lediglich ein Augenrollen abrang. Aber tatsächlich: nach einem walhailosen ersten Tauchgang lag plötzlich Spannung in der Luft. Irgendjemand hatte angeblich einen Walhai gesichtet, und diese Kunde wurde von Boot zu Boot verbreitet. Nach anfänglicher Skepsis wies Neil uns an, unsere Oberflächenpause drastisch zu verkürzen, SOFORT unser Equipment anzulegen und runterzugehen, sprach von einer „Once-in-a-lifetime-opportunity“ und schon war er im Meer verschwunden. Wir zogen uns mit zittrigen Händen unsere Ausrüstung an, machten uns daran unseren Guide einzuholen, und dann begann die Jagd nach dem Walhai.

Statt zwischen den schönen Korallenblöcken herumzudümpeln führte uns Neil jetzt ins Blauwasser. Hier gab es nichts Interessantes zu sehen, ohne Walhai würde das eine öde Angelegenheit werden. Während Sonja noch ernsthaft darüber nachdachte, ob sie einen solchen Fisch im Falle des Falles auch erkennen würde, zeigte sich, dass Neil den richtigen Riecher hatte: in einiger Entfernung tauchten die Umrisse eines Walhais auf, mit wunderschöner Zeichnung, begleitet von mehreren Putzerfischen. Als er schon fast wieder aus unserem Sichtfeld verschwunden war, machte er nochmals kehrt, schwamm direkt auf uns zu, und schwenkte erst 2m vor uns wieder ab… fast hätten wir ihn anfassen können. Wir waren atemlos und tief berührt. Wie in Trance führten wir den Tauchgang noch zu Ende. Viel Luft hatten wir durch unsere Aufregung ohnehin nicht in den Flaschen gelassen.

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Wieder an der Oberfläche - glücklich, aber noch sehr überwältigt

Ko Phangan – Inselalltag

Schöne Buchten, Kokospalmen, einigermaßen weißer Sand, Bambushüttchen mit Hängematten auf der Veranda, badewannenwarmes Meer – Ko Phangan hatte all das zu bieten, wonach unsere müden Knochen sehnlichst verlangten, und so ist es im Nachhinein wenig verwunderlich, dass wir ausgerechnet hier ein bisschen hängen geblieben sind.

Dabei hatte sich unsere Begeisterung bei der Ankunft erstmal in Grenzen gehalten: Die angesteuerte Hat Salad (=“Piratenbucht“) mussten wir uns so kurz vor der Hauptsaison mit nicht gerade wenigen anderen Touristen teilen. Das Publikum schien außerdem hauptsächlich aus etwas besser betuchten Flashpackerpärchen und Familien mit beträchtlicher Arschlochkind-Quote zu bestehen. Auch die Unterkünfte hatten sich an deren Bedürfnisse angepasst und entsprachen somit nicht ganz den unsrigen. Schließlich fanden wir dann doch noch einen einfachen, aber schnuckeligen Strandbungalow zwischen den Bonzenhütten und verbrachten in Hat Salad ein paar schöne und faule Tage. Unser Bewegungsradius beschränkte sich dabei im Wesentlichen auf Hängematte->Restaurant und retour.

Erst dann erwachte in uns wieder langsam die Entdeckerlust. Um dreieuroirgendwas am Tag mieteten wir uns ein Moped und brausten damit auf der Insel herum. Bei einem dieser Ausflüge entdeckten wir ganz im Norden, hinter dem letzten Fischerdorf, eine kleine Bucht, die uns besser gefiel: kaum Gäste, schönerer Strand und liebere Hunde, die – anders als die von den Touristen verwöhnten Tölen in der Hat Salad – das von uns angebotene Frolic nicht verschmähten. Schnell stand fest: Wir ziehen um!

Eine schwarze Hündin schloss sich unserem Rudel an. Wir nannten sie „Anna (Popanna)“, fütterten sie zwei Mal täglich mit allerfeinstem Hundefutter, und so zog sie noch am selben Abend bei uns ein. Als Gegenleistung für Kost und Logis half sie uns im Kampf gegen die aggressive Makakenbande, die die Nachbarschaft unsicher machte.

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Unser Zuhause in der Hat Khom Bucht: Klein und einfach, aber in unschlagbarer Lage...

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...direkt am schönen Strand gelegen

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Abends gabs nicht viel zu tun, außer der Sonne beim Untergehen zuzusehen.

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...und dabei manchmal ein Bierchen zu trinken.

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Eines Abends – wir waren tagsüber mit dem Moped unterwegs gewesen – kamen wir zurück zum Bungalow und unser Hund wartete, anders als sonst, nicht auf der Terrasse auf uns. Sollte sie vielleicht irgendwo ein besseres Plätzchen gefunden haben? Oder war ihr gar etwas Schlimmes zugestoßen? Wir waren sehr in Sorge und als sie auch am nächsten Tag nicht zurückkehrte, begannen wir nach ihr zu suchen.

In der hintersten Ecke des Nachbarresorts fanden wir dann schließlich eine uns bekannt vorkommende Hundegestalt. Statt uns freudig zu begrüßen bellte uns dieser Hund allerdings verängstigt an, außerdem fiel uns auf, dass dieser zwar vom Gesicht her der Vermissten zum Verwechseln ähnlich sah, aber kleiner, dünner, an einigen Stellen kahl, zerbissen und insgesamt in ganz erbärmlicher Verfassung war. Wie wir später erfuhren, hatten wir Annas Bruder gefunden, der sich hier von Gras und Insekten ernährte und von einem dominanten Hund davon abgehalten wurde, die hinterste Resortecke zu verlassen.

Das ging natürlich gar nicht… Hundefutter hatten wir ohnehin noch im Vorrat, an Annas Wiederkehr glaubten wir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr und so zog Hund Nr. 2 bei uns ein. Schon nach wenigen Stunden wurde klar, was wir uns dieses Mal für eine Verantwortung aufgehalst hatten. Denn das Pelzgesicht war nicht nur sehr bezaubernd und freute sich jetzt des Rudellebens, sondern vertrat auch – im Gegensatz zu seiner pflegeleichten Vorgängerin – wie selbstverständlich die Ansicht, von nun an 24h am Tag mit uns zu verbringen. Er verließ unsere Bungalowterrasse anfangs nichtmal für dringende Bedürfnisse alleine, sodass mehrmals täglich Gassi am Programm stand. Wenn wir schnorcheln oder schwimmen waren, blieb er im seichten Wasser stehen und winselte uns nach. Gingen wir essen, folgte er uns ins Restaurant und legte sich unter unseren Tisch, was die Besitzer gar nicht gerne sahen (aber schweigend akzeptierten). Sogar unserem Moped lief er nach, sodass wir in Sorge um seine Sicherheit nur noch selten ausfuhren.

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Hund 1 ist verschwunden, aber ein Hund 2 schnell gefunden. Hier in höchster Aufregung ob der Entdeckung dieses scheinbar lebensbedrohlichen Einsiedlerkrebses.

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Das Pelzgesicht auf seinem Pletzn. Links gut erkennbar: sein Kauknochen und seine eigens besorgte Futterschüssel. Gefüttert wurde angesichts der schlechten Verfassung dieses Patienten nunmehr drei Mal täglich. Damit lagen die Tagesausgaben für ihn fast höher als die unsrigen.

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Klaus versucht das Pelzgesicht erfolglos zum Schwimmen zu bewegen

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Nach einigen Tagen guten Futters immer noch nicht gerade mopsig...

Ein derartiges mit Einschränkungen verbundenes Inselleben mag langweilig klingen, aber das war es für uns ganz und gar nicht: Wir lasen viel, schrieben am Blog weiter, gingen auf Makakenjagd (was dem Pelzgesicht jedes Mal enormen Spaß bereitete), machten Spaziergänge und erfreuten uns daran, wie viel lebensfroher unser Adoptivhund von Tag zu Tag wurde.

Wissend, dass das unbeschwerte Rudelleben mit unserer Abreise ein Ende haben würde – zumindest für das pelzigste Rudelmitglied – verschoben wir den Tag des Abschieds mehrmals. Schließlich mussten wir sogar zu einer kleinen Selbstüberlistung greifen, um uns von dieser Insel wegzubringen: Wir vertagten ein letztes Mal die Abreise, buchten aber gleichzeitig für den anvisierten neuen Abreisetag einen nicht stornierbaren Flug nach Borneo, sodass an dem neuen Termin nicht mehr zu rütteln war.

Am 11. Juli gingen wir also nach oben zur Straße (wie immer mit dem Pelzgesicht dicht auf den Fersen), wuschelten noch ein paar Mal durchs nun viel gepflegtere Fell, hüpften in den bestellten Pickup und beobachteten im Rückspiegel, wie der schwarze Hund dem Pickup noch ein kurzes Stück nachlief, bevor er zurückblieb… Wir fühlten uns miserabel und wurden das schon von der mißlungenen Yakbabyrettung (nachzulesen im Annapurna-Artikel) her bekannte Gefühl nicht los, etwas zwar gut gemeint, aber nicht sehr gut gemacht zu haben… Und fassten den festen Vorsatz, uns nicht mehr so kopflos und ungebremst in ein knopfäugiges Pelzgesicht zu verlieben.

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Letztes Rudelfoto vor der Abreise

Nachtrag:
Hund Nr. 1 war angeblich zum „house of the owner“ gebracht worden, wie man uns erst nach hartnäckigem Nachfragen offenbarte. Wahrscheinlich war sie bei den Bungalows nicht willkommen und daher in unserer Abwesenheit schnell übersiedelt worden. Wir hoffen sehr, dass das „house of the owner“ kein Synonym für Schlimmeres ist…

Wer in naher Zukunft nach Ko Phangan an die Hat Khom fährt, möge bitte nach ein bis zwei schwarzen Hunden Ausschau halten und uns Bescheid geben, ob er/sie wohlauf sind!