Der „Annapurna-Circuit“ – eine Umrundung des über 8000 Meter hohen Himalaya-Massivs der Annapurna, und vorbei an zwei weiteren Achttausendern (Manaslu und Daulagiri) – gilt seit vielen Jahren als eine der schönsten Wanderrouten der Welt. Ob aber wir zwei kleinen Stadtkinder – untrainiert, kaum erfahren, schlecht ausgerüstet, aber wenigstens gut im Futter – dieser großen Aufgabe gewachsen wären, galt es erst festzustellen. Sicherheitshalber haben wir uns entschieden, es entgegen sehr lieb gemeinter Ratschläge ohne Gruppe, ohne Guide und ohne Träger anzugehen, dafür unsere Rucksäcke mit 10 und 15kg viel zu voll zu packen… dumm! Auch der Monsun war bereits im Anrollen, eine Jahreszeit, die mit sintflutartigen Regenfällen, Unwettern, Muren, sogar mit Horden an Blutegeln Trekkern das Leben schwer machen kann.
Eines sei vor unserem kleinen Bericht gleich vorweggenommen: Durch keine Fotos oder bewegten Bilder und durch keine Worte lassen sich die Vielfalt und die atemberaubende Schönheit dieser Landschaft ansatzweise näherbringen. Das muss man erleben!
Unsere Annapurna-Runde in Zahlen und Fakten:
Dauer: 21 Tage
Start: Besi Sahar, Seehöhe 780m
Ende: Birethanti, Seehöhe 1070
Distanz samt aller Side-Treks und Abstecher: ca. 300km
Höchster Punkt: Thorung La Pass auf 5416m
Reine Wanderstunden: 161
In verschiedenen Betten geschlafen: 19
Hunde gestreichelt: 47
Vorabkkosten/Permits: 32€/Person
Unsere laufenden Kosten (Unterbringung, Verpflegung, etc.): 9€ je Person und Tag
Da der schon erwähnte, viel Regen bringende Südwest-Monsun in Nepal mit Juni erwartet wird, und er auch heuer bereits seine ersten Vorboten ausgesandt hatte, beeilten wir uns in Kathmandu und Pokhara alle Vorbereitungen zu treffen und fehlendes Equipment einzukaufen. Das geht in Nepal auch recht einfach und äußerst günstig. Zwar ist die fast geschenkte Billigware auch oft nach wenigen Tagen akuter Materialschwäche erlegen, im Prinzip aber perfekt für Rucksack-Reisende, die naturgemäß ihre liebe Not haben, für Meereshöhen von -20 bis 5500 Meter ausgerüstet zu sein, und von der Taucher- bis zur Gletscherbrille alles dabei zu haben.
Apropo: Das Packen der Trekking-Rucksäcke ist dann schon die erste große Herausforderung… während das Hauptgepäck nämlich zur Aufbewahrung für Wochen in einer Unterkunft zurück bleibt, gilt es buchstäblich abzuwägen, was mit uns in die Berge darf – und damit Platz braucht und auch selbst geschleppt werden muss – so wollten wir das ja haben. Und mit dickem Winterschlafsack und Daunenjacke ist da schon die Hälfte der Auslastung erreicht.
Zumindest auf Zelt/Biwak, Matten und Kocher lässt sich auf Grund einer Besonderheit der Annapurna-Runde verzichten: Trotz ihrer Exponiertheit und Höhe nämlich, lassen sich sämtliche Tages-Etappen so planen, dass man sie in einer der zahlreichen meist kleineren, gelegentlich auch größeren Ortschaften beendet. Und in diesen wiederrum befinden sich sogenannte Teehäuser – traditionelle Herbergen, die – auch schon lange bevor westliche Touristen die Gegend betreten haben – den Reisenden zwar einfache, aber praktisch kostenlose Schlafplätze anbieten. Im Gegenzug sollten Abendessen und Frühstück – davon braucht man während des Trekkens reichlich – in diesen Teehäusern konsumiert werden.
An unserm 4. Tag in Nepal war es dann endich soweit, und wir quetschten uns Frühmorgens in den lokalen Holper-Bus nach Besi Sahar, dem Ausgangspunkt der Annapurna-Runde. Für die ca. 40km Luftlinie braucht der Bus auf Nepals Straßen gute 5 Stunden, entsprechend gerädert erreicht man dann auch den in der subtropischen Zone gelegenen Start der Wanderung zur Mittagszeit, was zu dieser Jahreszeit kurz vor dem Monsun etwa 35 Grad im Schatten und die Luftfeuchtigkeit einer Gewitterwolke vor dem Abregnen bedeutet. Doch da mussten wir jetzt durch. Noch die Permits kontrolliert, die Wasserflaschen gefüllt, unsere 15 und 10kg Last zum erbaulichen Vergnügen der zuvor höflich abgelehnten Sherpas geschultert und los ging es. Und zwar genau 100 Meter weit, zum Glück bergab, um die erste Kurve in den Dschungel, damit außer Sicht und dann die erste Pause… wir konnten nicht mehr 🙂
Wir haben uns also weiter geschleppt, die erste, ohnehin nur halbe Etappe noch ein wenig verkürzt und hatten auch die nächsten Tage noch sehr mit der ungewohnten Belastung zu kämpfen. Doch die wunderschöne Route, die uns von nun an hinauf durch die unterschiedlichsten Klimazonen und durch eine mit diesen Zonen stets wechselnde Fauna und Flora führte, entschädigte uns von Beginn an für sämtliche Strapazen und Entbehrungen. Und an diesem Umstand sollte sich für die nächsten drei Wochen bis zu unserer Rückkehr nach Pokhara nichts mehr ändern. Jeder Tag brachte uns einzigartige Erlebnisse, neue Bilder und Eindrücke, neue noch größere Herausforderungen, aber Schritt für Schritt auch ein wenig mehr an Kraft, Routine und Kondition – und ganz nebenbei mit der gewonnenen Höhe auch ein zunehmend angenehmeres und wandertauglicheres Klima.
In der Folge wollen wir nun hauptsächlich ein paar Bilder sprechen lassen…
Aber auch viele bekannte, wie auch exotische Tiere warteten an diesen Wegesrändern, und für die können wir uns ja immer sehr begeistern – insbesondere für die jüngsten unter ihnen…
Stets bergan ging es, zunächst nach Norden, dann nach Nordwest, das Marsyangdi-Tal empor in Richtung des Thorung La Passes auf 5.416 Metern, der uns auf die westliche Seite der Runde, ins Kali-Gandaki-Tal bringen sollte, das unter anderem die tiefste Schlucht der Welt ist (zwischen den nur 30km voneinander entfernten und über 8000 Meter hohen Gipfeln von Dhaulagiri und Annapurna).
Immer mehr wurden beim Anstieg Land und Leute vom tibetischen Buddismus geprägt. Gebetsmühlen, Chörten (spitze, hohe Türme aus Lehm oder Stein an den Dorfeingängen), Tempel und die charakteristischen bunten Gebetsfahnen allenortens.
Die von uns angestrebte Höhe von 5.500 Metern brachte die Notwendigkeit einer anständigen Akklimatisation mit sich. Die Höhenkrankheit ist die wohl größte Gefahr bei derlei Unternehmungen und die Ursache für zahlreiche, oft tödliche Unfälle. Da wir genügend Zeit hatten, und uns hier oben ohnehin zunächst gehörig die Luft weg blieb, wollten wir die empfohlene Akklimatisationszeiten und -höhen (drei Übernachtungen über 3.500 Meter, sowie eine maximale Aufstiegsgeschwindigkeit von ca. 500 Meter pro Tag) großzügig übertreffen. Wir planten also ein paar Extratouren ein, zunächst ein Tagesausflug zum „Icelake“ auf 4.600m, danach eine 3tägige, anspruchsvolle Wanderung zum wunderschönen „Tilicho Lake“ auf 5.000m, einem der höchstgelegenen Seen, der einer beeindruckenden Bergkette von 7.000m-Gipfeln vorgelagert ist. Diese beiden Touren sollten mit zu den landschaftlich beeindruckendsten Tagen unserer Tour zählen.
Am zwölften Tag – nach zwei Tages-Touren auf über 4.500 Meter und mittlerweile schon fünf Nächten über 3.500 Meter – fühlten wir uns ausreichend, ja fast schon vorbildlich akklimatisiert und wagten den zwei- bis dreitägigen Aufstieg zum Pass. Das Atmen fiel uns in großen Höhen auch schon bedeutend leichter und damit natürlich auch das Wandern. Man glaubt vorher nicht, wie schwer die Rucksäcke hier werden können, und wie anstrengend jede Bewegung sein kann, insbesonere bergauf zu steigen (und Yaks zu tragen, wie schon erwähnt. Die Königsdisziplin daher: Yaks bergauf tragen…).
Als besonders anstrengend gilt der Tag der Passüberquerung auch darum, weil man es im Anschluss an den mühevollen letzten Aufstieg – meist im tiefen oder rutschigen Schnee – auf der anderen Seite auch wieder ein sehr weites Stück in die erste Ortschaft hinunter schaffen muss: Nach Muktinath nämlich, und das liegt bereits auf 3.760 Meter – also nicht enden wollende 1800 Höhenmeter hinab mit ohnehin schon müden Beinen.
Anreiz und Belohnung nach dieser Tortur: Der Tempel von Muktinath, eine der heiligsten Pilgerstätten von Hindus, aber auch Buddhisten, mit einer heilenden, die Sünden reinigenden und postmortale Erlösung bringenden Quelle, brennendem Wasser und anderen kleineren Wundern.
Nun waren wir also auf der anderen Seite, die höchsten Punkte unserer Tour lagen hinter uns. Im Tal des Kali Gandaki, sollte es nun langsam, aber konstant hinunter gehen, mit einer letzten großen Bergetappe auf den „Poon Hill“ (3200m), der für seine fantastische Aussicht bekannt ist. Der mächtige, pyramidenförmige Dhaulagiri, 7.-höchster Berg der Welt, sollte hier unser steter Begleiter sein.
Bislang hatten wir für diese Jahreszeit mit dem Wetter riesiges Glück gehabt, doch nun waren die Auswirkungen des eintreffenden Monsuns endgültig zu spüren. Durch Gewitterregen mussten wir zwar nur gegen Ende der Tour das eine oder andere Mal, jedoch waren der Himmel und damit auch die herrlichen Ausblicke auf die uns umgebende Bergwelt oftmals von Wolken verhangen. Nur in den frühen Morgenstunden konnten wir mit klarer Sicht rechnen, eine Tageszeit, die wir ohnehin von Beginn an zum Wandern nutzten, da wir meist schon zwischen 19:00 und 20:00 völlig erschöpft in unsere Lager fielen. Ohnehin gab’s weiter oben meist keinen Strom und damit auch kein Licht.
Je weiter hinab wir nun kamen, um so mehr Leute waren unterwegs – sowohl Einheimische und Händler – das Kali Gandaki-Tal war von jeher eine frequentierte Handelsroute zwischen Indien und Tibet und zahlreiche größere Ortschaften waren entstanden – als auch von Touristen, die diese Seite der Annapurna für verschiedene kurze Trekks nutzten. In den ersten beiden Wochen hatten wir dagegen totale Einsamkeit genossen, trafen an manchen Tagen keinen einzigen anderen Trekker – das hatten wir mehr gemocht.
Danach raubt uns die finale Etappe – 2200 Meter bergab in wieder zunehmend tropischer Luft – unsere gesamte Kraft. Zurück in Pokhara schleppen wir uns, obwohl völlig erledigt, zuerst in eine uns bereits auf über 5000 Meter empfohlene Pizzeria – das war so ausgemacht. Ein eiskaltes Bier aus einem eisgekühlten Glas, dazu eine tatsächlich ausgezeichnete Pizza (Sonja: Die allerbeste überhaupt jemals). Davon hatten wir da oben hin und wieder geträumt. Und der erste Biss und der erste Schluck schmecken so, wie diese gesamte Annapurna-Runde war: Einfach unbeschreiblich großartig!
Unglaublich toller Bericht von einem phänomenalen Trek! Die Fotos sind ein Traum und so lustig 🙂 Vielen Dank!!!! <3 <3 – ^^ Denk oft an euch! Bis gaaanz bald Sabrina