Während sich Klaus‘ Kindheitsträume durch das Vordringen nach Feuerland und das Paddeln durch den Amazonas bereits erfüllt hatten, freute sich Sonja schon besonders auf Panama. Schuld daran war in diesem Fall ausnahmsweise weder eine Universumfolge, noch ein Bildband, sondern, ganz wie es sich für einen 198x-Jahrgang gehört, Janoschs Kinderbuch „Oh wie schön ist Panama“. Die beiden Protagonisten, der kleine Bär und der kleine Tiger, schafften es darin zwar nie bis in das ferne Land, aber die positive Panama-Assoziation war damit trotzdem für alle Zeit determiniert, wenngleich natürlich nur etwas augenzwinkernd betrachtet.
Und alles hatte ja auch wirklich „oh, wie schön“ begonnen: Von Kolumbien mit dem Segelschiff kommend, hatten wir bereits einige unvergessliche Tage in dem aus zahllosen malerischen Karibikinselchen bestehenden San Blas Archipel verbracht. Die offizielle Einreise danach in Portobello, durchgeführt von unserer Schiffscrew, hatte ebenfalls problemlos funktioniert – so sagte man uns zumindest.
In Portobello winkten wir vom Straßenrand aus sodann den erstbesten „Chickenbus“ heran. Chickenbusse, so bezeichnen Reisende gerne liebevoll die klapprigen Transportmittel, die auch die Einheimischen verwenden, häufig ausgediente Schulbusse aus den USA, gerade noch irgendwie verkehrstüchtig, oder manchmal auch nicht. Sie bleiben für jeden stehen, der ein Handzeichen gibt oder aber aussteigen möchte, egal wo, und sind daher knapp nach dem Fahrrad das langsamste Verkehrsmittel. Dafür reist man mit den Einheimischen und es gibt immer viel zu erleben. Man ist sich übrigens uneins, ob die Busse ihren Spitzamen daher haben, dass man darin allzuoft zusammengepfercht wird wie Hendln auf der Stange, oder weil manchmal auch Hühner (oder Schweine, Ziegen und anderes Getier – manchmal tot, meist aber lebendig) mitfahren. In einem solchen Klapperbus saßen wir jedenfalls nun und überlegten, ob wir heute in Colón bleiben, oder direkt weiter nach Panama City fahren wollten. Als wir bei der Kreuzung ankamen, an der wir uns entscheiden mussten – Colón: weiterfahren, Panama City: umsteigen – und wir immer noch nicht wussten, was wir tun sollten, ergab sich wie so oft alles von selbst. Unser Busfahrer rammte an besagter Kreuzung ein Taxi und verkeilte sich darin. Überhaupt nichts Ungewöhnliches (Vorrang erkämpft man sich hier durch einen Mix aus Fahrzeugstärke- bzw. Größe und Entschlossenheit, doch die bringen oftmals mehrere Verkehrsteilnehmer gleichzeitig mit…), nur unsere Fahrt nach Colon war damit erstmal zu Ende. Immer schön spontan, machten wir uns im allgemeinen Trubel aus dem Staub – eine Fahrt zu bezahlen, ohne unser Ziel zu erreichen, hielten wir für unangebracht. Also einmal über die Straße, dort in den nächsten Bus und auf nach Panama City!
Es war schon spät am Abend desselben Tages, wir lagen nach einem Bummel durch die moderne Hauptstadt Panamas mit Ceviche-gefüllten Bäuchen zufrieden im Bett, als wir endlich auf die Idee kamen, unsere Stempel im Pass zu überprüfen. Da war dann plötzlich Schluss mit „tranquilo“, denn wir hatten zwar beide ein Visum, aber dass dieses nur für 72h gültig war, hatte man uns nicht gesagt! Wir verfluchten uns für unsere Nachlässigkeit, die Stempel nicht sofort überprüft zu haben, denn nun waren unsere Handlungsoptionen sehr eingeschränkt: Wir konnten zur Migration fahren und versuchen, nachträglich noch eine längere Aufenthaltserlaubnis rauszuhandeln, meist gut möglich, aber mit höheren Kosten verbunden… ohne Beleg, versteht sich. Wir konnten uns ahnungslos stellen und bei der Ausreise auf einen kulanten (oder günstig zu bestechenden) Grenzbeamten hoffen. Oder wir konnten unseren Panama-Aufenthalt aufs absolute Minimum reduzieren und fristgerecht nach Costa Rica ausreisen. Variante 2 erschien uns zu riskant, Variante 1 verfolgten wir kurz halbherzig, aber als die Migration nicht dort war, wo sie sich laut unserem Reiseführer befinden sollte, schmissen wir bei gefühlten 40° im Schatten und längeren Diskussionen mit der örtlichen Polizei das Handtuch: Dann eben nicht, Panama schien uns nicht haben zu wollen und woanders ist es auch schön!
72h waren zumindest genug Zeit fürs Pflichtprogramm: Sightseeing in der Hauptstadt und ein Abstecher zum Panamakanal… Dumm zwar für Klaus, da er eben dieses Pflichtprogramm schon von einer anderen Reise kannte, aber da musste er durch, dafür konnte er Sonja noch zielsicherer als sonst durch die Straßen führen.
Die Altstadt von Panama City beeindruckte durch eine Mischung aus liebevoll restaurierten Kolonialgebäuden, und solchen, die man offenbar im Originalzustand beließ, und die teilweise halb verfallen waren. Der neuere Stadtkern Panamas sieht hingegen modern und mit der beeindruckenden Skyline fast nordamerikanisch aus.
Der Panamakanal ist ebenfalls einen Besuch wert, wenn man schon in der Gegend ist, auch wenn man die Ausmaße dieses 82km langen Meisterstücks der Ingenieurskunst, das den Atlantik mit dem Pazifik verbindet, wohl aus der Vogelperspektive besser erfassen könnte. Mangels dieser Möglichkeit mussten wir uns darauf beschränken, ein Containerschiff dabei zu beobachten, wie es (vom Atlantik kommend, nach dem Passieren der Gatún-Schleusen und des Gatúnsees) in einem längeren Prozess Richtung Pazifik an unserer Aussichtsplattform vorbeifuhr. Dabei passierte das Schiff die Miraflores-Schleusen, die das Schiff von der Höhe des Gatúnsees (26m über dem Meeresspiegel) auf Meeresniveau bringen. Die Containerschiffe sind so gebaut, dass sie den Platz, den der Panamakanal bietet, bis auf den letzten Meter ausnutzen, und werden von kleinen Zahnradlokomotiven (sogenannten Treidelloks) langsam durch die Schleusen manövriert. Da der Bedarf groß ist, auch mit größeren Schiffen den Kanal benutzen zu können, wird seit einigen Jahren an einem zweiten, noch größerem Kanal gebaut.
(Übrigens ist seit heuer auch Nicaragua – man munkelt Dank chinesischer Finanzierung – daran, sich durch ganz Mittelamerika zu graben. Ein herber Schlag wäre dies für Panamas großen Wirtschaftsfaktor (etwa 10% des BIPs), aber gleichzeitig traut man den ‚Nicos‘ nicht zu, dieses gigantische Projekt jemals zu vollenden. Man darf also gespannt sein…)

Das Containerschiff hat die Gatúnschleusen schon hinter sich gebracht und wartet nun im Gatúnsee darauf, die Mirafloresschleusen durchfahren zu dürfen.
Nach dem Abhaken dieser beiden durchaus sehenswerten Panama-Highlights mussten wir uns auch schon wieder verabschieden. Es machte uns nicht viel aus, denn so richtig warm waren wir mit Panama in der kurzen Zeit nicht geworden… Als sich der Grenzübertritt noch dazu als unnötig kompliziert erwies, waren wir sogar ganz froh, dieses Land, das uns offensichtlich nicht haben wollte, wieder zu verlassen!