Kolumbien – Am Amazonas

Nach fast einem halben Jahr in Südamerika näherte sich unser Abschied von diesem unglaublich abwechslungsreichen Kontinent, und wir wollten uns bereits um eine Schiffspassage nach Panama umsehen. Aber halt: Etwas Wesentliches war uns bislang entgangen – der Amazonas, beziehungsweise sein riesiges Einzugsgebiet. In Ecuador hatten wir es nur gestreift, uns hatte aber für mehr die Zeit gefehlt, in Nordperu waren wir in der fraglichen Region hintereinander gesundheitlich zu angeschlagen gewesen, in Bolivien führte unsere Route nicht daran vorbei und auf Brasilien mussten wir ja mehr oder weniger zur Gänze verzichten. Aber hier war nun noch Kolumbien, das sich in seinem südlichsten Zipfel einen Zugang zum mit Abstand wasserreichsten Fluss der Erde gesichert hatte. Das Gute daran ist, das vor allem die kolumbianische Seite im Dreiländereck mit Peru und Brasilien noch äußerst untouristisch ist. Dann also los, letzte Chance!
Von Bogota aus war es nur ein kurzer Flug nach Leticia, dort bestiegen wir ein kleines Schnellboot, das wie ein Autobus andernorts das hiesige Nahverkehrsmittel darstellt. Zwei weitere Stunden den Fluss stromaufwärts und zahlreiche Stopps bei immer kleiner werdenden Siedlungen später//, waren wir endlich am Ziel: In Puerto Nariño!
Ein paar dutzend Häuser, ein Fußweg auf hochwassersicheren Stegen (es gibt in dem kleinen Dorf weder Autos noch Motorräder – hier fährt man Boot oder geht zu Fuß, und das meist in Gummistiefeln), eine Hand voll Lokale und zwei, drei Herbergen. Sonst nur Fluss und dichter Dschungel.

Wir bezogen etwas außerhalb eine einfache Hütte auf einem Hügel, direkt und wunderschön am Wasser gelegen. Vier Affen, vier Papageien und ein paar Hunde zählten zu unseren Mitbewohnern… neben Myriaden von Mosquitos. Einer der Papageien ließ sich von Klaus liebend gerne das Köpfchen kraulen, während er Sonja nicht ausstehen konnte und beim Versuch, sie in den Fuß zu hacken, sogar ihren Gummistiefel durchlöcherte. Nichts, was man persönlich nehmen dürfe, der Papagei möge Frauen nicht, wie sein Besitzer versicherte. Und tatsächlich verhielt er sich allen weiblichen Wesen gegenüber angriffslustig, lauerte ihnen sogar auf, um sie dann mit Genuss über das Grundstück zu jagen – erstaunlich wie er anscheinend Männlein von Weiblein zielsicher zu unterscheiden wusste.

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Der sexistische Papagei. Sein Wortschatz besteht aus 'Hola' und 'Bogota' und ist daher schnell erschöpft. Nichtsdestotrotz ist er von früh bis spät lautstark am Brabbeln.

Während Sonja also während des gesamten Aufenthalts weite Bögen um besagten Papagei machte, hatte Klaus dafür Pech mit den Affen: Nicht genug, dass sie ihr großes Geschäft mit Vorliebe dann zu verrichten schienen, wenn sie gerade auf ihm herumkletterten. Als er das undankbare Pack vor einem aggressiven Hund beschützte (dieser fand es gar nicht lustig, als einer der Affen versuchte, ihn als Reittier zu benutzen), begannen sie alle vier, anscheinend in Panik versetzt, wild in seine Beine zu beißen. Sein Glück, dass die Affen mit ihren kleinen Zähnchen kaum menschliche Haut durchdringen können… Und ihr Glück, dass man den putzigen Kollegen nicht ernsthaft böse sein kann 😉

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Schon frühmorgens, quasi noch im Halbschlaf, wird man von der frechen Bande in Beschlag genommen.

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Morgens erster Gang vor die Hütte: Doch erstmal statt Kaffee Affee

Von den freundlichen Besitzern wurden wir laufend mit frischen Früchten und Kaffee versorgt, und ein kleines blaues Kajak durften wir jederzeit ausleihen. Etwas, was wir gerne und ausgiebig nutzten.

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Kein Motorengeräusch durchbricht die Stille, unser kleines blaues Kajak ist weit und breit das einzige Boot. Wir paddeln durch die Nebenarme und überfluteten Wälder des Amazonas, wir beide ganz allein inmitten der überwältigend schönen Natur, und können unser Glück kaum fassen!

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Um uns herum schwimmen immer wieder Delphine: wir sehen rosarote und ihre grauen Artgenossen. Häufiger hören wir sie nur hinter uns aus dem Wasser springen und laut schnauben. Sie scheinen uns neugierig zu umkreisen, ohne uns jedoch allzu nahe zu kommen.

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Links und rechts gleiten endlose, überflutete Wälder an uns vorbei, also paddeln wir schon bald zwischen Baumriesen und Gestrüpp hindurch. Hier schlummern die Faultiere, lauern die Kaimane, rasten die Schlangen. Affenbanden wirbeln über uns in den Baumkronen. Die Sonne glitzert im Wasser und in den riesigen, zwischen Ästen und Lianen gespannten Spinnennetzen. Es ist atemraubend schön und vielleicht das Abenteuerlichste, das wir auf unserer Reise erleben dürfen.

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Auch ein kühlendes Bad im Amazonas durfte natürlich nicht fehlen.

Anders, als man es aus diversen Abenteuerfilmen kennt, stellen dabei weder Piranhas, noch Anakondas oder Kaimane eine Gefahr dar. Die lauert schon eher in manchen Stechmückenexemplaren, die die Erreger von Malaria, Gelb- oder Denguefieber mit an Bord haben können, oder zum Beispiel – weniger bekannt, aber wirklich eine potentielle Plage – in kleinsten Fischen, die, wenn durch Harnstoffe angelockt, versehentlich die menschliche Harnröhre hinaufschwimmen und sich dort verhaken. Daher ist dringend anzuraten, während des Schwimmens niemals in den Amazonas zu pinkeln. Männliche Indigenas behelfen sich auch gerne noch mit einem Stückchen Schnur, nicht lustig, aber immer noch viel besser als die verrückten Fische. Auf die Mädchen der Indigenas lauert in den Fluten des Amazonas eine weitere Gefahr: Der rosafarbene Amazonas-Delphin. Wird ein unverheiratetes Mädchen schwanger, Vater unbekannt, dann nämlich, ja dann war’s der rosa Delphin, der als schöner, fremder Mann an Land gestiegen war. Tatsächlich findet sich das umtriebige Tier sogar in einigen Geburtsurkunden ganz offiziell als Vater eingetragen.

Nicht nur die Fauna kann hier unberechenbar sein, wie uns während eines Paddelausflugs gezeigt wurde: Als das Tageslicht langsam schwächer wurde, machten wir uns auf den Rückweg, denn im Labyrinth aus Seitenarmen und Wäldern im Dunklen nach Hause zu navigieren ist nahezu unmöglich. Doch plötzlich schlug das Wetter um – es begann wie aus Kübeln zu gießen. Gleichzeitig kam ein heftiger Gegenwind auf. Während die Wellen nun also unser Kajak gefährlich ins Schwanken brachten, kamen wir trotz strammen Paddelns kaum noch vorwärts. Als unsere Kraft nachließ und uns klar wurde, dass wir es so nie rechtzeitig nach Hause schaffen würden, hörten wir das vertraute Tuckern eines Motors.
Es war das Boot unseres Hostels, das sich uns von hinten näherte! Wir winkten und wähnten uns schon gerettet, da fuhr das Boot einfach an uns vorbei… man hatte uns im dichten und lauten Regen nicht bemerkt. Wir rechneten also bereits mit einer Nacht mitten im Amazonaswald, durchnässt und ohne jegliche Ausrüstung. Doch zu unserem großen Glück ließ zumindest der Sturm und damit auch Gegenströmung und Wellen bald nach, sodass wir es zwar durchgefroren und völlig erschöpft, aber noch im letzten Dämmerlicht zurück schafften.

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Trocknungsaktion nach unserem Amazonasabenteuer, um unser Hüttchen nicht mit klatschnassen Geldscheinen bezahlen zu müssen.

Die Tage in Puerto Nariño gingen viel zu schnell vorbei und zählen für uns zu den absoluten Höhepunkten unserer Reise. Während andernorts der Amazonastourismus schon komplett kommerzialisiert ist, kann man hier – als einer von wenigen Touristen – eigenständig durch den Dschungel wandern und paddeln und hat die Natur dabei ganz für sich.

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Ein letztes Bild dieses Reiseabschnitts: Einer von vielen schönen Sonnenuntergängen mit Blick auf den Fluss von unserem Quartier aus.

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