Unsere Reise durch Nicaragua hätte nicht schöner beginnen können, und nach der tollen Zeit auf der Isla de Ometepe waren wir gespannt, was das Land noch zu bieten hat. Zwei weitere Kolonialstädte hatten im Reiseführer unsere Aufmerksamkeit erregt: Granada und León. Beide konkurrieren ständig darum, sich die schönste Stadt Nicaraguas nennen zu dürfen, und das rivalisierende Verhältnis betrifft auch noch zahlreiche andere Bereiche. Man munkelt sogar, Managua sei nur deshalb Hauptstadt geworden, um weder dem liberalen Leon noch dem konservativen Granada den Vorzug zu geben und damit nicht die jeweils andere Stadt empfindlich zu verschnupfen. Auch wir wollten keinen der beiden Streithähne vernachlässigen und daher beiden Städten unsere Aufwartung machen.
Granada
Granada war für uns erstmal ein kleiner Kulturschock. War das wirklich das gleiche beschauliche Nicaragua, das wir auf der Isla de Ometepe so genossen hatten? Zugegeben, die bunt bemalten Häuser und prächtigen Kirchen waren sehr hübsch anzuschauen und die Lage, zwischen dem Vulkan Mombacho und dem uns schon bekannten Lago Nicaragua, wirklich malerisch. Dennoch, die Horden überwiegend älterer amerikanischer Touristen, die wenig authentisch wirkenden Restaurants mit Stoffservietten und europäischem Preisniveau, brütende Hitze, sowie zahlreiche bettelnde Kinder ließen uns mit Granada einfach nicht warm werden.
Bezeichnend war bereits die Suche nach einer Unterkunft. Ein in unserem Reiseführer mit „sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis“ beschriebenes Hotel wollte 40 US-Dollar pro Nacht und damit mehr als das doppelte, was wir bisher für vergleichbare Zimmer bezahlt hatten. Wir lachten und meinten, das sei viel zu viel. Nach zwei Stunden erfolgloser Zimmersuche kehrten wir dann aber tatsächlich ganz kleinlaut zu besagter Unterkunft zurück, denn viele Hostels waren voll oder noch teurer.
In den darauffolgenden zwei Tagen erkundeten wir die Stadt, und beschlossen dann schnell weiterzuziehen. Vielleicht war ja León mehr nach unserem Geschmack!

...und zahlreiche halbversteckte, schattige und teils kunstvolle Innenhöfe: eigentlich ganz hübsch, dieses Granada!

Eine weniger schöne Ecke: Der "Vergnügungspark" im Stil der 70er-Jahre (eine Empfehlung unseres Reiseführers) ist eher ein unheimlicher bis trauriger Anblick.

In Mittelamerika soll man an Sonntagen keinesfalls reisen. Steht in jedem Reiseführer, und nun erfuhren wir am eigenen Leib warum. An Nachfrage schiens nicht zu mangeln, wie man anhand der hier schon fast zu einem Kreis angewachsenen Warteschlange sieht. Das Problem ist das mangelnde Angebot, denn die Busfahrer scheinen am Sonntag nur höchst ungern zu arbeiten: nur etwa jede halbe Stunde kam ein kleiner Minibus an, sodass wir erst nach über zwei Stunden an der Reihe waren.
León
Schon im Bus nach León hatten wir Bekanntschaft mit Joseph gemacht, einem Engländer, der eigentlich von Costa Rica aus Richtung Südamerika reisen wollte. Da er bei einer Tour durch den Costa Ricanischen Dschungel aber ein Mädchen kennengelernt hatte, das in León ein Auslandssemester macht, und ihm ebendieses Mädchen nicht mehr aus dem Kopf ging, hatte er spontan seine Reiseroute geändert. Wir bezogen das selbe Hostel wie er, sodass uns auch die Fortsetzung dieser so romantisch beginnenden Geschichte nicht entging. Ein Happy End blieb allerdings aus, da sein Besuch nicht die erhoffte Begeisterung hervorrief… schade! Wir verbrachten in León einige nette Abende mit Joseph, der die Enttäuschung recht souverän wegsteckte, und anderen Leuten aus unserem Hostel. Tagsüber schlenderten wir durch die gepflasterten Gassen, bestaunten wieder einmal schöne Kirchen, probierten uns durch das ausgezeichnete nicaraguanische Streetfood und schmiedeten Reisepläne.

León ist eine Studentenstadt, und wohl aus diesem Grund gibt es ein dichtes Netzwerk billiger Bars. Hier mit einigen Hostelbekanntschaften bei Mojito um 1 EUR.
León gefiel uns alles in allem viel besser als Granada, die Atmosphäre war angenehmer, die Restaurants weniger überteuert, lediglich das heiße, stickige Klima erschien uns noch unerträglicher zu sein. Wir sehnten uns nach einer steifen Meeresbrise und klaren tropischen Gewässern, einer Insel die man nicht nur teuer und unflexibel mit dem Flugzeug erreichen konnte… Die karibische Küste und Inselwelt Nicaraguas ist aber nur mit ebendiesem oder mit umständlichen, zeitaufwändigen Bus- und Bootsfahrten zu bereisen. Und so kam es, dass wir nach nur knappen zwei Wochen im Land dieses schon wieder verließen und uns aufmachten zur hondurianischen Insel Utila.
Wie immer wunderbar zu lesen. Ich hoffe nur, Ihr kommt gesund zurück.