Abschied von Südamerika – Ein Segeltörn nach Panama

Unsere Zeit in Südamerika war endgültig zu Ende gegangen, und es galt, Pläne für unsere Weiterreise durch Mittelamerika zu schmieden. Und das beginnt von Kolumbien aus gesehen ja bekanntlich im schönen Panama. Obwohl es zwischen den beiden Ländern eine Landverbindung gibt, ist es praktisch unmöglich, diese für eine Weiterreise zu nützen, und das hat zwei Gründe: Erstens existiert keine Straßenverbindung, das sogenannte Darién-Gap, wie man diese Lücke in der Panamericana nennt, besteht aus dichtestem, unwegsamen Dschungel. Das alleine hätte uns natürlich nicht aufgehalten, eine Machete ist schnell zur Hand. Aber, und damit zu Grund zwei, diese Region ist nach wie vor fest in der Hand der Guerillatruppen und Drogenkartelle, womit für jeden nicht gänzlich wahnwitzigen Erlebnistouristen eine Durchquerung des Gaps zu Fuß flach fällt. Damit bleibt also nur die Weiterreise mit dem Flugzeug oder mittels einer Schiffspassage. Letztere wiederum bieten entweder Fähren (das dauert ca. 24 Stunden), oder aber private Segelboote an, die ebenfalls von Kolumbien nach Panama übersetzen, aber dabei einen etwa viertägigen Umweg über Kuna Yala einlegen – dem „Land der Kuna“ (auch bekannt unter dem Namen San Blas-Inseln). Dieses aus 365 winzig kleinen bis größeren Inseln bestehende Archipel wird von Indigenas (den Kuna) unter panamaischer Flagge semi-autonom regiert. Nur ca. 50 der Inseln sind dauerhaft bewohnt, der Rest ist kaum mehr als puderweißer Sand, Palmen und Korallenriffe inmitten des türkisblauen Meers – ein wahr gewordener Karibiktraum. Eine für uns in höchstem Maße verlockende Vorstellung: Endlich unser quer durch Südamerika und bis auf 5000 Meter hinauf in die Anden geschlepptes Schnorchelequipment samt Flossen wieder auszupacken, das seit den Galapagos-Inseln (also seit August 2014!) ein trauriges Dasein in der hintersten Rucksackecke fristete. Aber so ist das nunmal, dafür hatten wir nun in der Karibik Daunenjacken, Hauben und lange Merino-Unterwäsche dabei… des Klimawandels Wetterextreme mögen zuschlagen, wir sind gerüstet!
Die Wahl fiel uns also leicht, die lange Segelschiff-Variante sollte es sein.

Das könnten wir komplett vergessen, hörten wir da gleich von anderen Reisenden, die Segelboote seien bis Ende Jänner und Wochen im Voraus restlos ausgebucht. Aber das wollten wir uns erst genau ansehen, wir wissen bereits, dass sich auch bei scheinbar unmöglichen Vorhaben meist eine Möglichkeit findet: ohne Vorreservierung waren wir in Sipadan tauchen, hatten auf den Galapagos-Inseln ganz kurzfristig Plätze auf einem Kreuzfahrtschiff bekommen, uns erst am Vortag um Machu Picchu Tickets gekümmert – im schlimmsten Fall ist etwas Geduld, Kreativität und Hartnäckigkeit gefragt. Also flogen wir trotzdem nach Cartagena, um unser Glück zu versuchen, streiften durch die Straßen um die Altstadt in denen die Kapitäne in den Spelunken oder Herbergen ihre Schiffspassagen anboten. Am Ende hatten wir sogar die Wahl zwischen zwei Booten – beides gut klingende Optionen, sodass wir per Pesowurf unsere Entscheidung trafen: Schildkröte oder Zahl? – Die Münze landete mit der Schildkröte nach oben,  der alte holländische Zweimaster sollte es also werden, über 70 Fuß lang, jahrelang in einem mexikanischen Hafen vergessen und dahingetümpelt, vor kurzem wiederentdeckt, gekauft, nach Panama gebracht und generalüberholt – so erzählte man es uns.

Die Segeltörns zwischen Kolumbien und Panama sind teilweise auch berüchtigt für die meist sehr jungen Passagiere, die auf der Überfahrt alle möglichen legalen (und, wie man munkelt, auf manchen Booten auch illegalen) Rauschmittel zu sich nehmen und die Überfahrt zu einer 5-tägigen Megaparty zweckentfremden. Gegen das eine oder andere Cuba Libre zu einem schönen Sonnenuntergang haben wir nun wahrlich nichts einzuwenden, aber für derartige Dauerexzesse fühlten wir uns nun doch schon zu alt. Man weiß aber nie, was man kriegt und so blieb uns nur auf etwas „ältere“ (sprich: mehrheitlich über 20-Jährige) und/oder halbwegs vernünftige Mitreisende zu hoffen. Äußerst gespannt warteten wir daher auf das erste Treffen am Tag vor der Abreise, und wir schienen wieder Glück zu haben, denn die anderen Passagiere waren ganz und gar nicht die Bande postpubertierender Maturareisender aus unseren Albträumen: 4 weitere Pärchen sowie 3 alleinreisende Burschen aus allen möglichen Ecken der Erde, durchwegs Mitte 20 bis Ende 30, sollten mit uns das Segelboot bemannen. Dazu kam eine 4-köpfige Crew, bestehend aus einem nicht gerade menschenfreundlichen, kauzigen Kapitän, einem mit Vorliebe rassistische Witze erzählenden Ingenieur, einer jungen Kanadierin, die ganz großartig die Bordküche schmiss und uns alle „Darling“ nannte und einem Australier, der vor lauter Coolness kaum sprechen oder sich normal bewegen konnte. „Hell, yeah!“ und „Fuck, no!“ ersetzten alle schnöden Jas und Neins, um nur ein bezeichnendes Beispiel anzuführen. Hatte man sich daran erstmal gewöhnt, war er aber ein sehr herziger Kerl.

Das Schiff selbst war charmant und rustikal, jedoch in einem kunterbunt zusammengeflickten Zustand. Ein für die dafür vorgesehene Öffnung im Schiffsrumpf zu großer Anker ohne funktionierende Motorwinde, der bei jedem Mal Ablegen in einem umständlichen und vier Personen benötigenden Akt auf Deck gehievt werden musste, dazu ein Motor, der des öfteren überhitzte, ein Leck im Schiffsboden, das regelmäßig den Einsatz einer Pumpe erforderte, müffelnde Kajüten, die so manche Mitreisende nachts aus den Betten und an Deck trieben, und das Hauptsegel war bei der letzten Überfahrt gerissen.

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Unser Schiff - aus der Ferne und in diesem Setting makellos schön 😉

Wir störten uns an all diesen Umständen wenig, denn die Umgebung ließ uns solche Kleinigkeiten schnell vergessen. Wir genossen die Seefahrt und das wunderschöne Archipel, das Schnorcheln, die Erkundung der malerischen Inseln, den Sternenhimmel, die Abende am leicht schaukelnden Deck… nach den genialen Tagen im Amazonas gleich das nächste Highlight unserer Reise!

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Morgendliche Aussicht aus dem Bullauge unserer Kajüte

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Eine der wenigen Gelegenheiten, zu der wir beim Landgang unsere Kamera dabei hatten. So oder ähnlich wundervoll ist jede der unzähligen Inseln.

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Chillen an Deck

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Ein Großteil der Crew und unserer Mitreisenden bei einem der Insellandgänge

Als uns die Crew fragte, ob wir (ohne Zusatzkosten) noch einen Tag länger bleiben möchten, brauchten wir nicht lange nachzudenken: „Hell, yeah!“, lautete unsere spontane Antwort, aber da hatten wir die Rechnung ohne unsere Mitreisenden gemacht….

Einigen der anderen gefiel das Leben auf See nämlich bei weitem nicht so gut wie uns, und während wir uns kaum von San Blas losreißen konnten, sehnte sich so mancher nach einem bequemen Bett in einem schönen Hotel in Panama City. Somit wurde aus dieser Verlängerung leider nichts. Wir konnten es zwar selbst kaum glauben, aber es kam zuletzt tatsächlich der Gedanke auf, ob wir auf einem Partyboot nicht doch besser aufgehoben wären. Die junge Backpacker-Crowd hätte zumindest – ebenso wie wir in diesem Fall – eine Gratis-Verlängerung bestimmt „awesome“ gefunden…

Aber auch ohne Verlängerung: Die Entscheidung, das Darién-Gap mit einem Segelboot zu überwinden, war absolut richtig. Hätten wir uns je verzeihen können, über dieses schöne Fleckchen einfach drüberzufliegen? Fuck, no!

2 Gedanken zu „Abschied von Südamerika – Ein Segeltörn nach Panama

  1. Christina

    Hell yea, was für ein großartiger Bericht! Ich kann mir euer Abendteuer mit dieser Beschreibung richtig gut vorstellen! ;)) Viel Spaß in Mittelamerika – ich freu mich schon auf weitere Tipps (für meine Reiseliste!)

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    1. blaueelise Beitragsautor

      Jaja, je mehr man reist oder mit anderen Reisenden plaudert, desto länger wird besagte Liste – kennen wir auch 😀 LG ins Winterwonderland (soeben neidisch dein schönes Foto vom Dachstein bewundert)!

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